Gesund bleiben mit HIV
: Die Rolle der Ernährung
Gesund bleiben mit HIV : Die Rolle der Ernährung
Eine gesunde Ernährung wird für viele Menschen immer wichtiger. Das gilt gerade auch für Patienten mit chronischen Erkrankungen wie HIV . Sie haben die Hoffnung, dadurch den Verlauf ihrer Krankheit günstig zu beeinflussen und ihre Lebenserwartung zu steigern. Freude am Essen erhöht außerdem die Lebensqualität.

Ernährungsratschläge: Oft mehr Religion und Kommerz als seriöse Wissenschaft
Täglich werden wir in Zeitschriften, im Internet und im Fitnessstudio mit einer Vielzahl von Ratschlägen zum Thema gesunde Ernährung konfrontiert. Hier werden oft Empfehlungen gegeben, die keine wissenschaftliche Basis haben, sondern eher Mythen und pseudoreligiöse Glaubenssätze sind. Sie werden immer wieder nachgebetet, ohne kritisch auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft worden zu sein. Zu diesen Mythen gehört zum Beispiel, dass Fleisch, Fett, Weißmehl oder Kohlenhydrate grundsätzlich gesundheitsschädlich wären, dass wir mit der normalen Nahrung zu wenig Vitamine aufnehmen würden (und deswegen Vitaminpräparate oder Nahrungsergänzungsmittel zu uns nehmen sollten) oder dass die Zufuhr von Vitamin C-Präparaten das Immunsystem stärken würde.
Außerdem wird in den letzten Jahren häufig behauptet, bestimmte Nahrungsbestandteile (wie Laktose oder Gluten) seien gesundheitsschädlich, und viele Menschen litten an entsprechenden Unverträglichkeiten. Tatsächlich sind weder Laktose noch Gluten per se ungesund; solche echten Unverträglichkeiten sind erstens recht selten und können zweitens medizinisch leicht festgestellt werden. Das gilt genauso für den Mangel an Vitaminen und Spurenelementen.
Hinter diesen Mythen stecken in vielen Fällen wirtschaftliche Interessen. Du musst nur einmal darauf achten, wie voll die Regale mit entsprechenden Alternativprodukten im Supermarkt, Drogeriemarkt oder Bio-Laden sind. Die in der Werbung versprochenen gesundheitlichen Vorteile von Nahrungsergänzungsmitteln sind in den meisten Fällen unbewiesen. Teures „Superfood“ liegt zwar im Trend, ist aber vollkommen entbehrlich, und Herstellung wie Transport schaden häufig der Umwelt.
Zehn Regeln für gesunde Ernährung
In Wahrheit gibt es erstaunlich wenig gesichertes Wissen darüber, was wirklich gesunde Ernährung ist. Das mag einerseits enttäuschend sein. Andererseits kann diese Erkenntnis dein Leben auch sehr erleichtern. Wenn du dich gesund ernähren möchtest, können die zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gute Anhaltspunkte geben. In Stein gemeißelt sind jedoch auch diese Empfehlungen nicht. Hier eine Zusammenfassung:
1. Lebensmittelvielfalt genießen
2. Fünf am Tag
3. Vollkornprodukte wählen
4. Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen
5. Gesundheitsfördernde Fette nutzen
6. Zucker und Salz einsparen
7. Am besten Wasser trinken
8. Lebensmittel schonend zubereiten
9. Achtsam essen und genießen
10. Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben
Nur in wenigen begründeten Ausnahmefällen, z. B. Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder Hyperurikämie (Gicht), müssen diese Regeln verändert werden. Hierzu fragst du am besten deinen behandelnden Arzt.
Ernährungstipps für mehr Wohlbefinden
Die Regeln der DGE sind vor allem Anhaltspunkte aus einer ernährungsmedizinischen Perspektive. Rückt man die psychosozialen Funktionen des Essens stärker in den Mittelpunkt, lassen sich zusätzlich folgende Empfehlungen formulieren:
- Essen soll Freude machen.
- Gegen eine gelegentliche „Sünde“ ist überhaupt nichts einzuwenden.
- Lass dich nicht von den ständig wechselnden Ernährungsratschlägen aus Werbung und Medien gängeln.
- Vermeide extreme und einseitige Diäten. Du kannst dich vegetarisch ernähren, wenn du das zum Beispiel aus Gründen des Tier- oder Klimaschutzes lieber möchtest. Es gibt jedoch keinen Beweis dafür, dass vegetarische Ernährung grundsätzlich gesünder ist. Vegane Ernährung ist modern, aber nicht unbedingt gesund. Hier drohen längerfristig bestimmte Mangelzustände. Sprich daher mit deinem Arzt, wenn du dich vegetarisch oder vegan ernährst.
- Iss, was dir schmeckt und vermeide Nahrungsmittel, die dir nicht schmecken oder die du erfahrungsgemäß nicht verträgst, weil sie z. B. Blähungen oder andere Verdauungsprobleme bei dir verursachen.
Vorsicht bei bestimmten Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmitteln!
Vermeide die Einnahme von Vitamin- oder Mineralstoffpräparaten oder anderen Nahrungszusätzen, wenn kein entsprechender Mangel bei dir ärztlich festgestellt wurde. Es gibt Hinweise, dass die regelmäßige Zufuhr künstlicher Vitamine langfristig gesundheitsschädlich ist. Zum Beispiel erhöht die Einnahme von Vitamin-A-Präparaten bei Rauchern das Lungenkrebsrisiko. Bestimmte Algen enthalten hohe Mengen gesundheitsschädlicher Schwermetalle. So gibt es eine Reihe von Beispielen, die zur Vorsicht mahnen. Nicht alles, was gesund klingt, ist es auch.
Gerade Menschen, die mit HIV leben, sollten vorsichtig sein mit bestimmten Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmitteln. Einige können, ebenso wie andere Arzneimittel, Wechselwirkungen mit der HIV -Medikation verursachen. Dazu gehören:
- Mineralstoffpräparate wie Eisen, Magnesium und Kalzium: Sie können bei gleichzeitiger Einnahme die Aufnahme bestimmter HIV -Medikamente aus dem Magen-Darm-Trakt behindern.
- Grapefruit und Pomelo: Diese Früchte (und die aus ihnen hergestellten Säfte) können die Wirkstoffspiegel einiger HIV -Medikamente stark erhöhen und so Nebenwirkungen verursachen oder verstärken.
- Knoblauchpräparate: Sie können die Aufnahme bestimmter HIV -Medikamente aus dem Magen-Darm-Trakt behindern.
- Rotschimmelreis: Wechselwirkungen mit bestimmten HIV -Medikamenten können z. B. Leber- und Nierenschäden verursachen.
- Aktivkohle-Smoothies: Aktivkohle bindet im Magen-Darm-Trakt nicht nur Giftstoffe, sondern auch Arzneimittel. Sie kann daher die Wirkung deiner ART und anderer Medikamente beeinträchtigen.
- Darüber hinaus sind Wechselwirkungen zwischen HIV -Medikation und pflanzlichen Arzneimitteln (z. B. Johanniskraut) sowie negative Auswirkungen pflanzlicher Arzneimittel, die zur „Stimulation des Immunsystems“ angepriesen werden, auf die HIV -Infektion bekannt.
Fazit:
Eine gesunde Ernährung braucht keine komplizierten Vorschriften. Bei jeder Werbung für die angeblich gesundheitsfördernde Wirkung von „Superfood“ oder Nahrungsergänzungsmitteln ist Skepsis angebracht. Sie helfen meist nur dem Hersteller und dem Verkäufer.
Sprich in jedem Fall mit deinem Arzt oder Apotheker, bevor du solche Dinge kaufst und / oder einnimmst. Dabei sollten in jedem Fall mögliche Wechselwirkungen mit deiner HIV -Medikation ausgeschlossen werden.
Buchtipps:
Katarina Schickling, Aber bitte mit Butter. Warum Brot nicht dumm und Fett nicht krank macht. Herder Verlag, Freiburg, 2016
Werner Bartens, Es reicht! Schluss mit den falschen Vorschriften. weissbooks.w, Frankfurt, 2014
Autor: Dr. Steffen Heger